»Bevor zum Anfang ein tüchtiger Grund gelegt ist, halte ich es für eitles Bemühen, über das Ende auch nur ein Wort zu verlieren.«
Demosthenes (384.322), athenischer Politiker
Das war gestern schon eine kleine Sternstunde für unser
Dorfparlament. Da kam jemand aus Tübingen, Anita Gaiser, und erzählte uns, wie
das läuft mit dem Carsharing. Seit 1993 gibt es das in Tübingen. Zuerst als
Verein, seit 2017 als Genossenschaft - aber der Name blieb gleich: teilAuto. Zwölf
Mitarbeiter zählt das Unternehmen, das 98 Genossenschaftsmitglieder mit
insgesamt 417 Anteilen zu je 300 Euro hinter sich weiß. 125.000 Euro
Eigenkapital ist nicht viel, aber damit bewegt das Unternehmen 134 Autos - vornehmlich
in Tübingen, 16 sind in Reutlingen stationiert, 13 im sogenannten
"Umland", zu dem dann auch Altenburg gehören würde.
Kompetent und geraderaus: Anita Gaiser, Projektmanagerin bei teilAuto in Tübingen |
Schon vor der Sitzung wurde im Zuhörerraum heftig diskutiert. |
Im Bezirksgemeinderat ging es dann zur Sache. Angestoßen hatte dieses Thema ein
neuer Verein, der Altenburger Autobussle e.V., der sich darum bemüht, eine
Lösung für all die Menschen im Dorf zu finden, die zum Beispiel Arzttermine
wahrnehmen müssen, aber nicht in der Lage sind, die öffentlichen Verkehrsmittel
zu nutzen. Bislang hatten die Gründer dieses Vereins diese Menschen im Rahmen
der Nachbarschaftshilfe chauffiert. (Danit das klar ist: mit ihrem eigenen PKW. Stattdessen könnte nun für diese Chauffeur-Dienste das Teilauto genutzt werden.) Es steht dort an, wie man das Ganze besser
organisieren kann. Eine Idee war dabei, ein Teilauto in Altenburg zu
stationieren - in der (neuen) Donaustraße gegenüber der ehemaligen
Kreissparkasse (derzeitiges Baubüro). Es wäre für den Nordraum, wahrscheinlich
sogar für die gesamten Außenbezirke ein Novum. Erstaunlich, wenn man bedenkt,
dass es "teilAuto" schon seit 25 Jahren gibt. 3100 Kunden zählt die
kleine Genossenschaft. In Altenburg könnten einige dazu kommen. Oder auch
nicht!!!
Das war die große Frage. Anita Gaiser meinte, dass
die Nutzung ihres doch zukunftsweisenden Konzeptes in Reutlingen eher
unterentwickelt sei. Unsere sich gerne großstädtisch gebende Stadt hat da
offensichtlich Nachholbedarf.
Rund 20 Kunden, die auch dann tatsächlich den Service
nutzen, braucht teilAuto, um ein Fahrzeug der Klasse Opel Corsa zu
stationieren. Für alle, die wqeniger als 7.500 Kilometer im Jahr fahren, ist
dieses Konzept eine Überlegung wert. Das gilt insbesondere für Zweit- oder
Drittwagen, die ja für ein Wohngebiet wie Altenburg nicht ganz unüblich sind.
Die Kunden zahlen zwischen neun und zwölf Euro pro Monat für
das Recht, nach Absprache aber ansonsten jederzeit über das Teilauto verfügen
zu können. Die Aufnahmegebühr beträft 50 Euro, eine Kaution in Höhe von 400
Euro muss hinterlegt werden. Schon einen Tag später kann man dann das Auto
nutzen. Eine Chipkarte ermöglicht es, sich Zugang zu dem Fahrzeug zu
verschaffen, das zudem mit einem Bordcomputer ausgestattet ist, der für genaue
Abrechnung sorgt. Denn man zahlt 26 Cent je Kilometer, inklusive Tankfüllung. Deshalb
gibt es eine Tankkarte, die - sollte der Sprit nicht reichen - an vielen
Tankstellen akzeptiert wird. Abgerechnet wird dann nicht mit dem Kunden, sondern
direkt mit der Genossenschaft. In anderen Fällen muss zwar der Kunde die
Tankfüllung vorauszahlen, aber der Betrag wird ihm auf jeden Fall
gutgeschrieben. Pro Stunde kostet das Fahrzeug der Corsa-Klasse übrigens 1,80
Euro. Die Fahrzeuge sind übrigens vollkaskoversichert, wobei man in seinem
Vertrag zwischen 350 und 1000 Euro Eigenbeteiligung bei selbstverschuldeten
Unfällen wählen kann. Es gibt keine Laufzeit-Bindung. Sollte also das Angebot
nicht konvenieren, kann man es jederzeit kündigen. Übrigens scheint auch das
Reservieren des Fahrzeugs problemlos zu machen sein.
Auch wenn teilAuto inzwischen drei Elektrofahrzeuge in
Betrieb genommen hat, überwiegt dennoch der Verbrennungsmotor. Anita Gaiser ist
sich aber sicher, dass sich dies nach und nach ändern wird. "Das geht
schon alles in die richtige Richtung", meint sie, ohne dass man das Gefühl
hat, missioniert zu werden. Sie wirkt, wie das gesamte Konzept, sehr
pragmatisch. Denn die Wirtschaftlichkeit beherrscht nach wie vor das gesamte
Kalkül. Was sie jedoch mehrfach betont, ist, dass sich die Genossenschaft schon
einem Versorgungsanspruch verpflichtet fühlt.
Und darum ging es ja gestern dem Bezirksgemeinderat und dem
knappen Dutzend an Bürgern, die der Präsentation lauschten und - bei einer
geplanten Unterbrechnung der Sitzung - auch ihre eigenen Fragen loswerden
konnten.
So waren sie auch gespannt auf die Alternativen zu dem oben
beschriebenen Individualkonzept. In Dusslingen - so berichtete die
Projektmanagerin - habe eine Bürgerstiftung selbst ein Auto erworben, das aber
von teilAuto gemangt wird. Es handelte sich fdabei um ein Elektroauto, das sich
wegen des hohen Anschaffungspreises für den Einsatz im sogenannten Umland für
die Genossenschaft selbst nicht rentiert. Aber grundsätzlich sei dies eine
Alternative, die auch für einen "Verbrenner" infrage käme. Ob sich
dieses Konzept für Altenburg eignet, sei allerdings fraglich.
"Man ändert mit der Zeit sein Mobilitätsverhalten",
meint Gaiser. Sie habe das jedenfalls an sich selbst sehr deutlich gemerkt. Nun
stellt sich die Frage: Ist das auch möglich bei einem ganzen Dorf, das manche
Infrastrukturleistung zumindest momentan nicht vor Ort vorhält - wie zum
Beispiel allgemein- oder zahnärzliche Betreuung. Es gäbe da noch eine
Möglichkeit, die Verfügbarkeit eines teilAutos auf jeden Fall sicherzustellen.
Ein Verein erklärt sich bereit, die Verantwortung für ein monatliches Budget
von 700 Euro zu übernehmen, also bei Mindernutzung die Differenz auszugleichen.
Eine Überlegung, die wahrscheinlich jetzt die Mitglieder des neuen Vereins
Altenburger Bussle beschäftigen wird, aber vielleicht auch andere Vereine. Eins
machte Anita Gaiser aber deutlich: "Sonderkonditionen gibt es nicht."
Da spricht das Selbstbewusstsein aus 25 Jahren Erfahrung mit
Carsharing, aber auch eine klare Aussage. Wenn sich die Altenburger für ein
solches Konzept entscheiden, das in einer Info-Veranstaltung noch den Bürgern
nahegebracht werden, würden sie einen Partner bekommen, der seine Kompetenz
unter Beweis gestellt hat. By the way: Vielleicht würde dieses Beispiel dann
auch auf ganz Reutlingen und dessen Außenbezirken ansteckend wirken.
Raimund Vollmer