Montag, 1. Juli 2019

Zum Abschied von unserer Pfarrerin Annegret Bogner


 

Altenburg, Sonntag, 30. Juni 2019
Liebe Frau Bogner, liebe Familie Familie Bogner, liebe Altenburger, liebe Ehrengäste!  
"Aber die Kirche bleibt im Dorf!" Mit diesen Worten hat Sie, liebe Frau Bogner, Jürgen Reich als Vorsitzender des Altenburger Geschichts-und Heimatvereins im Mai 2013 begrüßt. Sie hatten damals erklärt, dass Sie aus familiären Gründen nicht ins Pfarrhaus ziehen werden, sondern in Waldenbuch - ist ja nicht aus der Welt - bleiben werden. Und das hat ja dann auch gut geklappt. 


Mit unserem "Kirchenchor" wurde unsere neue Pfarrerin 2013 begrüßt (und auch 2019 verabschiedet)



 Bei der Begrüßung am 12. Mai 2013 im Gemeindesaal.
Jürgen Reich, damals Vorsitzender des Altenburger Geschichts-und Heimatvereins: "Die Kirche bleibt im Dorf"



Damals lief die Serie mit dem Titel "Die Kirche bleibt im Dorf" gerade an - und wir, die Altenburger, waren irgendwie auch stolz darauf, denn mit Meike Kircher war ja eine Hauptdarstellerin dabei, die hier in unserem Altenburg aufgewachsen ist und auch nicht hier wohnt, nämlich in Hamburg. Aber ihr Schwäbisch hat sie mitgenommen - und ihr schließlich diese Hauptrolle gebracht. Die Saat ist aufgegangen. 
Gudrun Topp, stellvertretende Vorsitzende des Kirchengemeinderates, gestern in der Kirche: Die gute Seele unseres Dorfes
"Die Kirche bleibt im Dorf" - ja, die kleine Nikolauskirche gehört zu Altenburg wie der Dom zu Köln, das Münster zu Ulm oder Notre Dame zu Paris und  gar ganz Frankreich. In Kirchen sind sich Mensch und Gott am nächsten. Kirchen sind die Seelen einer Gemeinde. Wie sehr das so ist, können wir gerade in Paris erleben. Ganz schnell wollen die Franzosen Notre Dame wieder aufbauen. Es gibt kein wichtigeres Projekt. 
Eine kleine Einlage aus der "Lichtstube". Gestern im Gemeindesaal
Jeder Mensch trägt eine solche Kirche in sich und mit sich. Es ist eben unsere Seele, unser Herz. Gerade an Notre Dame können wir aber auch sehen, wie sehr eine solche Seele gefährdet sein kann. Deshalb kann keine Kirche, keine Seele ohne Seelsorger auskommen. 
Unser Dichterfürst Johann-Wolfgang von Goethe schreibt:
Mahnung
Niemals darf ein Mensch,
niemals darf ein Volk wähnen,
sein Ende sei gekommen;
Güterverlust lässt sich ersetzen,
über anderes tröstet die Zeit;
nur ein Übel ist unheilbar:
Wenn der Mensch sich selbst aufgibt!
Ich glaube, dass dies die große Sorge eines jeden Seelsorgers ist - die Sorge darum, dass ein Mensch sich selbst aufgibt, wenn er sozusagen seine innere Kirche verliert, seine Seele.
Was aber ist die Seele?
Man könnte auch fragen: Was ist der Mensch? Eine Antwort darauf gibt es nicht - bei allen Versuchen der Klassifizierung. Sagt der Seelenarzt Erich Fromm. Wir sind uns selbst ein Rätsel.
Liebe Frau Bogner, als ich Sie zum ersten Mal hier im Gemeindesaal sah, waren Sie mir ein komplettes Rätsel. "Das ist doch eine Theologin, die aus der Schrift lebt, viel zu intellektuell für solch ein kleines Dorf", dachte ich damals, als ich diesen ebenso feingliedrigen wie feinsinnigen Menschen sah. Offensichtlich hatte ich keine Ahnung von dem, was ein Seelsorger ist - wie ich sehr bald feststellen musste. Denn das sind Sie auf eine derart mitfühlende, stille, offene und ehrliche Weise, dass man Ihr seelsorgerisches Wirken zuerst einmal gar nicht merkt.
"Was ist das Allgemeine?" fragt unser aller Goethe. Und er antwortet: "Der einzelne Fall." Dann fragt er: "Was ist das Besondere?" Seine Antwort: "Millionen Fälle!"
Grußwort des Orschaftsrats: Tanja Münch gestern in der Kirche
Das Allgemeine ist jeder von uns, der sich in dem allgemeinen Glauben an Gott zurechtfinden muss - und wenn es am Ende Unglaube ist. Er kommt nicht darum herum. Und wenn er dann seine Antwort gefunden hat, dann reiht er sich ein in Millionen Fälle - am besten in die Schar der Gläubigen, in eine Kirche, die sich aber niemals über den Einzelnen erheben darf. Denn dann verliert sie Gott.
Ein Seelsorger weiß um beide Zustände - um uns als Individuen, die ihren ganz persönlichen Gott suchen und um die Institutionen, die ihn vertreten. Und ein guter Seelsorger, einer wie Sie, liebe Frau Bogner, weiß sehr genau, dass Sie uns beim Suchen helfen können - mit einem kleinen Stupser, mit einem milden Lächeln, auch mal mit deutlicher Bestimmtheit, aber immer mit Offenheit, auch gegenüber unserer Entscheidung. Denn finden müssen wir unseren Gott schon selbst, ganz allein, ganz persönlich. Sonst geht's schief. 
Gut besucht das Gemeindefest gestern - bei brütender Hitze flüchtete gestern alles in den Gemeindesaal. 
Weil Sie so unaufdringlich, so feinfühlig vorgehen, bleibt da auch immer eine gewisse Distanz, die Instanz der absoluten Integrität.
Ich gebe zu, dass ich ziemlich lange gebraucht habe, bis ich das kapiert habe. Nun könnte man meinen, dass jemand, der so ist wie Sie, auch als kühl eingeschätzt werden kann. So hatte ich Sie ja auch anfangs gesehen. Ich hatte wirklich keine Ahnung. Denn die "Distance", die Sie bei aller Herzlichkeit, die Sie ausstrahlen, wahren, ist in Wirklichkeit Ausdruck des Respekts vor dem anderen. Integrität ist für Sie eine Sache der Gegenseitigkeit - und des Glaubens an Gott und den Menschen. Sie mögen wirklich Menschen auf eine sehr feine, sehr edle Art.
Deswegen hat meine bald vierjährige Enkelin Johanna sehr recht, wenn sie kürzlich sagte, dass sie es sehr schade findet, dass "Frau Bogner" geht. "Denn ich habe sie lieb", sagte sie zu ihrer Mutter.
Ich glaube, Johanna hat sie sehr viel schneller "durchschaut" als ihr Großvater.
Auf Ihrem weiteren Lebensweg wünscht Ihnen der Geschichts- und Heimatverein auch fürderhin alles Gute - und Gottes Segen.
Ihr Raimund Vollmer

Bildertanz-Fotos: RV

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