Freitag, 13. Mai 2011

Helmut Thumms Rede zum Ortsfamilienbuch


Weshalb ein Ortsfamilienbuch?
Bei manchen, meist älteren Menschen drängt sich die Frage ihrer Herkunft und ihrer Wurzeln immer mehr in das Bewußtsein. Viele haben schon ihre eigene Familie erforscht, bei anderen ist es ein Vorsatz geblieben. Oft scheitert dieses Vorhaben an dem enormen Zeitaufwand und auch daran, sich mit den alten Schriften auseinanderzusetzen. Hauptquellen für eine Familienforschung sind Aufzeichnungen in Kirchenbüchern und seit 1871 die standesamtlichen Eintragungen. Kommt man anhand der eigenen Familie schon 2-3 Generationen zurück, ist das Vorhaben auch meistens schon gescheitert.

Einfacher ist da natürlich die Benutzung eines Ortsfamilienbuches. Es ist i.d. Regel von erfahrenen Genealogen erarbeitet worden. Übersichtlich aufgebaut enthält es Informationen von sämtlichen Kirchenbüchern und Standesamtsakten. Problemlos kann daraus ein Stammbaum oder die blutsmäßige Verwandschaft (Ahnentafel) einer Person od. Familie ermittelt werden, solange diese in dem betreffenden Ort gelebt haben.

Die sogenannten Kirchenbücher gliedern sich in die 3 Teile: Ehebuch, Taufbuch, Totenbuch mit chronologischen Eintragungen. Als Hilfsquellen dienen die Communicantenbücher, Konfirmandenbücher und Conventsprotokolle, soweit sie noch vorhanden sind. Die richtige Zuordnung einer Person zur ihrer Familie ist manchmal ein schwieriges Unterfangen, bei dem jedes Detail wichtig ist und auch die Taufpaten mit herangezogen werden müssen. Besonders bei dominanten Familiennamen wie hier in Altenburg: Knapp, Nagel, Walker, Walz, Weimar usw.

In Württemberg wurden Kirchenbücher 1559 in der großen Kirchenordnung unter Herzog Christoph eingeführt. Er war der Sohn von Herzog Ulrich, unter dessen Herrschaft 1534/35 das Land evangelisch wurde. Leider sind in den meisten Orten während des 30-jährigen Krieges (1618-1648) diese Bücher verbrannt, oder vernichtet worden. So auch in der Mutterkirche Oferdingen mitsamt ihrer Filialen Rommelsbach und Altenburg, nachdem der Ort durch bayrisch-götzisches Kriegsvolk angezündet und 47 „Firste“ samt Kirche, Pfarrhaus und Schule am 21. April 1638, am Sonntag Cantate, dem Tag der Kirchweihe in Schutt und Asche gelegt wurde. Dazu auch alle Bücher und Abendmahlsgeräte. Bis 1655 war die Mutterkirche mit Rommelsbach auf die viel zu kleine Altenburger Kapelle angewiesen. Im Jahr 1639 wurden neue Kirchenbücher angelegt, sind sind lückenlos erhalten bis heute und bildeten die Grundlage für das Altenburger Ortsfamilienbuch.

Es war immer meine Absicht, nicht nur die nackten Lebensdaten zu erfassen, sondern auch interessante Hinweise und Begebenheiten einzuarbeiten. Neben den Kirchenbüchern waren die Einträge in den Konventsprotokollen, Strafsachen und Inventuren/Teilungen eine wahre Fundgrube. Überrascht war ich auch über die hohe Spendenbereitschaft der Altenburger Kirchenmitglieder. Viele Zinnkrüge/ Becher Hostiendose/ Teller für Tauf- und Abendmahlsfeiern wurden gestiftet. Sie sind alle mit Bild und Text bei den entsprechenden Personen hinterlegt. Ein ganz besonderes Kleinod aus vorreformatorischer Zeit ist ein Abendmahlskelch. Es stammt aus einer Zeit vor 1500 und ist in hervorragendem Zustand. Schon diese Gegenstände wären eine Sonderausstellung wert.

Betrachtet man die einzelnen, zum Teil erschütternden Familienschicksale, ist die „gute alte Zeit“ für die meisten Menschen damals sehr, sehr hart gewesen. Die Sterblichkeit, bedingt durch die schwere Arbeit und mangelnde oder einseitige Ernährung war entsprechend hoch. Die hygienischen Verhältnisse waren oft mangelhaft, Epidemien und Seuchen hatten leichtes Spiel. 1609-1611 fielen der Pest 55 Personen zum Opfer (in Stadt u. Kreis Tübingen =2668 Personen)
Viele Ehefrauen starben nach der Entbindung und die Väter mußten bald wieder heiraten, um eine Ersatzmutter für die Kinder zu bekommen. Mehrfachehen waren häufig (bis zu 4 mal). Seuchen rafften oft ganze Familien hinweg. Die am häufigsten verbreiteten Todesursachen waren: Auszehrung (TB), Wassersucht, Ruhr, Scharlach, Diptherie, Masern.

Beispiel:
Johannes Staiger, Schmied, geboren in Bronnweiler 1700, verheiratet am 7.5.1721 in Altenburg mit Anna Maria Thumm *29.3.1701 in Altenburg. Sie hatten 4 Kinder. Der Vater stirbt am 12.2.1730 an Scharlach, am selben Tag sein Sohn Heinrich, 2 Jahre alt an der „Roten Sucht“ (Ruhr), zusammen werden sie in ein Grab gelegt. Am 5.3. stirbt sein Sohn Johann Georg, 4 Jahre 6 Monat alt ebenfalls an der Roten Sucht. Johannes, 7 Jahr 9 Monat alt, stirbt am 23.4.1730 an aussochender Krankheit (Tuberkulose). Das jüngste Kind, Anna Maria, 2 Monate nach dem Tode ihres Vaters geboren, stirbt am 7.7.1731. Die Mutter verheiratet sich 1730 wieder in Oferdingen mit Johann Martin Knapp. Sie muss wohl bald darauf gestorben sein, denn er heiratet am 5.6.1736 wieder in Pliezhausen Lucia Löffler.
Beispiel Originaltext aus dem Totenbuch:
1788: "d. 22ten Jul. abends 7 Uhr wurde endlich die kläglich und schmerzhaffte Lagerstätte vollendet, auf welcher Maria Agnes, Johann Martin Zeebs Eheweib, an einem das Ganze Volle Jahr hingewüteten Krebs Schaden, im Gesicht hingeraffet war. Ihres Alters 34 Jahr 10 Mon. 16 tag. Ihre Begräbnis war auf d. 25ten veranstaltet worden".

1789: "d. 9. Febr. zwischen 4 und 5 Uhr verschied nach Lebenslängsten Leid, Catharina, obiger Maria Agnes Zeebin, und Johann Martin Zeeben, Webers jüngstes Töchterlein Catharina, ohnfehlbar an einem von der armen Mutter vermittels d(er) Muttermilch eingesogenem Schaden und Verderbens seines Geblüts. Seines alters 1 Jahr 5 Mon. 16 tag. Dessen Beerdigung ward auf d. 11ten Febr. Nachmittags 1 Uhr angestellt".

Durch Kriegseinwirkungen (30-jähriger Krieg 1618-48), Franzoseneinfälle waren viele Menschen auf der Flucht. 1638 war die „ganze Gemeind wegen Unsicherheitt“ in die Reichstadt Reutlingen geflüchtet. 1693 vom 1. August bis 20. August suchten die Altenburger nochmals Unterschlupf in der freien Reichsstadt. Der französische General Melac hatte in den Erbfolgekriegen vorher schon die Pfalz verwüstet. Speyer, Mannheim, Worms und Heidelberg hatte er in Schutt und Asche gelegt und 1693 auch Württemberg überfallen. Über viele Jahre konnten die Äcker nicht mehr bebaut werden und Hungersnöte waren die Folge. 1818, nach drei Hungerjahren haben viele Einwohner ihren Heimatort Altenburg verlassen und wanderten aus. 85 Auswanderer sind in einer besonderen Liste erfasst.

Das Ortsfamilienbuch ist reich bebildert und beinhaltet den Zeitraum 1638 bis 1910 z.T. auch schon früher. Nach 1910 sind Familien/Personen enthalten, die ihre Zustimmung zum Abdruck gegeben haben. 5558 Personen in 1407 Familien sind aufgeführt und miteinander verknüpft und durch div. Verzeichnisse erschlossen.
Im ersten Teil befasst sich das Buch über fast 50 Seiten mit Kirchengeschichte, Ortsgeschichte und Schulwesen, die Sie sich nicht entgehen lassen sollten. Der Mittelteil umfasst die gesamte Genealogie samt Verzeichnisse und Quellenhinweise. Alle Pfarrer, Schultheißen, Schulmeister sind gesondert aufgelistet, auch Einwanderer (aus der Schweiz), ausgewanderte Personen, Gefallene, Vermisste und ortsfremde Personen sind aufgeführt. Auch der Anhang enthält eine Fülle von interessanten Informationen z.B. der Kiesgewinnung im Neckartal; alte Flurnamen und Bezeichnungen im Dorf; Heiteres und Nachdenkliches; Muster einer Ahnentafel/Ahnenliste; Statistische Auswertungen und eine Liste der Spender. Viele Bilder sind darin enthalten.
Das Ortsfamilienbuch wendet sich an alle interessierten Bürgerinnen und Bürger im Ort, besonders aber an die der alteingesessenen Familien. Es weist ihnen den Weg ihrer Vorfahren in sehr persönlicher Weise. Auch auswärtige Personen, die ihre Ahnen in Altenburg haben, wird es eine unschätzbare Hilfe sein. Bevor Sie aber mit Ihrer Forschung beginnen, sollten Sie unbedingt die Benutzerhinweise und Abkürzungen beachten.

Dankeschön möchte ich all denen sagen, die mich mit Rat und Hilfe an diesem umfangreichen Werk unterstützt haben:
Zuallererst Frau Pfarrerin Berghaus von der ev. Kirchengemeinde Altenburg für das große Vertrauen und für ihr Verständnis, das sie und der Kirchengemeinderat mir entgegengebracht haben. In Frau Berghaus hatte ich während dieser 3 Jahre immer eine Fürsprecherin. Sie hat von Anfang an das Projekt mit Wohlwollen begleitet. Ihre freundliche, offene und herzliche Art hat mir die Arbeit sehr erleichtert. Ich möchte mich bei ihr in ganz besonderer Weise bedanken. Ebenso ein ganz großes Dankeschön dem Bezirksamt Altenburg, Frau Hipp und Herrn Haag für die schöne Zeit im Rathaus und den guten Kaffee. Frau Metzger, die bis zum 31.12.2010 amtierende Bezirksbürgermeisterin, danke ich ebenfalls sehr für ihre Unterstützung. Sie hat mir während ihrer Amtszeit die Arbeit der Veröffentlichungen im Amtsblatt abgenommen. Aber auch Herrn Frank Hofacker, seit 19.1.2011 Bezirksbürgermeister, danke ich sehr für sein Vorwort und seine Unterstützung durch das Bezirksamt. Danken möchte ich Herrn Dr. Wilhelm Borth, Vorsitzender des Geschichtsvereins Reutlingen, der mir mit seinem umfangreichen Fachwissen bei schwierigen Passagen eine große Hilfe war. Insbesondere auch für sein Vorwort zu diesem Buch. Dank an die Pfarrämter der umliegenden Gemeinden für die Benutzung ihrer Kirchenbücher. Bedanken möchte ich mich auch beim Stadtarchiv Reutlingen für die Einsichtnahme in die Gemeindeakten Altenburg und die überaus gute Zusammenarbeit und wertvollen Hilfen. Dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart und dem landeskirchl. Archiv Stuttgart für die Benützung ihrer Archivalien. Ein ganz besonderen Dank an die Herren Dr. W. Borth, Werner Krauß und Rolf Nedele für die Genehmigung zum teilw. Abdruck aus ihren Publikationen: „Rommelsbach – einst und jetzt“ und: Altenburg – Vergangenheit und Gegenwart eines Reutlinger Stadtteils 1990.
Den Spendern die je ein Pflichtexemplar für verschiedene Archive gespendet haben, möchte ich ebenfalls ganz herzlich danken. Sie haben damit einer breiten Öffentlichkeit den Zugang zu diesem Buch ermöglicht.

All den Altenburgern, die mir wertvolle Hinweise gegeben haben, möchte ich ebenfalls ganz herzlich danken. Für mich als „Rommelsbacher“ sind die örtlichen Verhältnisse in Altenburg oft nur aus dem Archivmaterial bekannt. Umso mehr war ich auf Hilfe von Alt-Altenburgern angewiesen. Stellvertretend für sie sollen hier genannt sein: Marianne Digel, Gerhard Fingerle, Grete, Helmut, Herbert und Otto Mayer, Helmut und Rudolf Thumm, Hans und Johannes Weimar, Richard Walker, Richard Gehr und Peter Walz. Auch all denen möchte ich danken, die mir Bilder zu ihrer Familie überlassen haben, oder ihr Einverständnis zum Abdruck ihrer Daten erteilt haben. Herrn Vollmer und Herrn Reich vom jungen Altenburger Geschichtsverein möchte ich ebenfalls ganz herzlichen Dank sagen. Sie haben mir im Internet in ihrem Altenburger Blog, bereitwillig eine Plattform zur Verfügung gestellt, um manch interessante Ereignisse und Begebenheiten dort zu veröffentlichen.

Der letzte und größte Dank aber gilt meiner lieben Frau Marianne. Bei ihr möchte ich mich ebenfalls in ganz besonderer Weise bedanken. Sie hat während dieser Zeit nicht nur geduldig die vielen Stunden meiner Abwesenheit oder die am PC ertragen, sondern auch auf manches verzichtet, damit ich in Ruhe arbeiten konnte. Darüber hinaus hat sie sich auch viel Zeit genommen, meine oft fehlerhaften Manuskripte durchzusehen und zu korrigieren.

Meinen Dank möchte ich mit einer Bitte abschliessen. Für mich möchte ich in keiner Weise in Anspruch nehmen, dass mir trotz gründlicher Recherchen, keine Fehler unterlaufen sind. Dies bitte ich im Voraus zu entschuldigen. Mit jedem neuen Pfarrer oder Schreiber ändert sich auch die Handschrift. Man muss sich immer wieder neu einlesen. Auch das „Kirchenlatein“ bereitete oftmals Schwierigkeiten.

Zum Schluss hoffe ich, dass ich niemanden, der in irgendeiner Weise zum Gelingen dieses Buches beigetragen hat, vergessen habe. Allen Altenburger Bürgerinnen und Bürger wünsche ich mit diesem Buch viel Freude bei der Erforschung ihrer Ahnen. Ich verspreche Ihnen, sie ist sehr spannend!

Ich danke Ihnen !

Liebe Frau Berghaus, darf ich Sie zu mir bitten, damit ich Ihnen für die Kirchengemeinde Altenburg den ersten Band übergeben kann!

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