Es war zu Beginn der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts als Familie Rauscher aus Altenburg hohen Besuch erwartete. Verwandte, die vor vielen, vielen Jahren in die USA ausgewandert waren, hatten die Reise über den Großen Teich gewagt und wollten noch einmal ihre alte Heimat wiedersehen. Paul Rauscher, Jahrgang 1911, gerade mal zehn Jahre alt, wurde von seinen Eltern nach Pliezhausen geschickt, um dort beim Metzger Wurstaufschnitt zu kaufen. Man wollte sich - trotz bitterster Armut, die damals in der kleinen Neckargemeinde herrschte - nicht lumpen lassen. So kratzten die Eltern ihre letzten Groschen zusammen, damit der Paul auch was rechtes kaufen konnte.
Sorgfältig geschnitten und ebenso sorgsam verpackt nahm Paul die Ware entgegen und machte sich auf den Weg zurück nach Altenburg. Am Neckar entlang. Unterwegs überkam ihn der schiere Heißhunger. Die Versuchung war zu groß. Seit Ewigkeiten - und für einen Jungen besteht dieWelt nur aus Ewigkeiten - hatte er keine Wurst mehr gegessen. Er schaute nach links, er schaute nach rechts, niemand beobachtete ihn. Keine Menschenseele weit und breit.
Ganz vorsichtig öffnete Paul das Wurstpaket, entnahm ihm ein "Rädchen" Wurst, und genau so sorgfältig, wie er das Paket geöffnet hatte, schloss er es wieder. Niemand durfte etwas merken.
Zuhause angekommen wurde alsbald dem Besuch aus Amerika ein wurstreiches Mahl kredenzt. Von dem kleinen Mundraub hatte niemand etwas gemerkt. Dafür kamen umso niederschmetternde Worte aus dem Mund des amerikanischen Verwandten: "So schlecht kann es euch ja gar nicht gehen", erklärte er mit vollem Mund, "wenn ihr euch sogar unter der Woche Wurst leisten könnt."
Paul, aus dem später "der Sattler" wurde, glaubte, er müsse vor Wut gleich platzen. Für diese gastliche Wurstmahlzeit würden er und seine Familie in den nächsten Wochen wieder arg darben müssen. "Hätte ich bloß mehr von der Wurst stiebitzt", erzählte er später einmal seiner Tochter Annemarie, von der wir diese Geschichte erfuhren.
Bildertanz-Quelle: Nach einer Erzählung von Annermarie Kurtz (geborene Rauscher)
Sorgfältig geschnitten und ebenso sorgsam verpackt nahm Paul die Ware entgegen und machte sich auf den Weg zurück nach Altenburg. Am Neckar entlang. Unterwegs überkam ihn der schiere Heißhunger. Die Versuchung war zu groß. Seit Ewigkeiten - und für einen Jungen besteht dieWelt nur aus Ewigkeiten - hatte er keine Wurst mehr gegessen. Er schaute nach links, er schaute nach rechts, niemand beobachtete ihn. Keine Menschenseele weit und breit.
Ganz vorsichtig öffnete Paul das Wurstpaket, entnahm ihm ein "Rädchen" Wurst, und genau so sorgfältig, wie er das Paket geöffnet hatte, schloss er es wieder. Niemand durfte etwas merken.
Zuhause angekommen wurde alsbald dem Besuch aus Amerika ein wurstreiches Mahl kredenzt. Von dem kleinen Mundraub hatte niemand etwas gemerkt. Dafür kamen umso niederschmetternde Worte aus dem Mund des amerikanischen Verwandten: "So schlecht kann es euch ja gar nicht gehen", erklärte er mit vollem Mund, "wenn ihr euch sogar unter der Woche Wurst leisten könnt."
Paul, aus dem später "der Sattler" wurde, glaubte, er müsse vor Wut gleich platzen. Für diese gastliche Wurstmahlzeit würden er und seine Familie in den nächsten Wochen wieder arg darben müssen. "Hätte ich bloß mehr von der Wurst stiebitzt", erzählte er später einmal seiner Tochter Annemarie, von der wir diese Geschichte erfuhren.
Bildertanz-Quelle: Nach einer Erzählung von Annermarie Kurtz (geborene Rauscher)
Bildertanz-Foto: Sammlung Annemarie Kurtz
Erstveröffentlichung am 16. April 2009
Erstveröffentlichung am 16. April 2009
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