Gestern haben wir uns von Heinz Wezel verabschiedet. Als ich von seinem Tod erfuhr, hatte ich sofort jenes Bild vor Augen, das sich in meinem Kopf festgesetzt hat, als ich ihn zum ersten Mal sah. Es muss nach der Hauptversammlung 2004 seines geliebten Obst- und Gartenbauvereins gewesen sein, die im Altenburger Sportheim stattfand. Die Zwischenwände öffneten sich und heraus kam dieser ältere Herr (er war damals so alt wie ich heute) und ich bestaunte ihn innerlich wie das siebte Weltwunder. "Wozu", so fragte ich mich, "braucht man einen Obst- und Gartenbauverein?" Für mich, der ohnehin mit der Welt der Pflanzen nicht viel anzufangen weiß (weiß der Teufel warum), war das ein Verein ohne irgendwelche Bedeutung - erst recht nicht für die Idee des Bildertanzes, die der Grund war, warum ich mich überhaupt mit meinem Wohndorf beschäftigte.
Aus dem Staunen wurde Bewunderung. Mit einer Beharrlichkeit, Sturheit und durchaus autoritären Autorität führte er seinen Verein - und als ich ihn dann näher kennenlernte, merkte ich, was für ein weicher Kern sich hinter dieser manchmal sehr streng wirkenden Fassade verbarg. Er war schlichtweg ein Charaktermensch - ein Mensch, dem sein Selbst wichtiger war als sein Ich. Er folgte Prinzipien, und er achtete darauf, dass andere sie auch achteten.
Das wurde mir 2010 in den Tumulten rund um das Amt des Bezirksbürgermeisters richtig bewusst. Er war als Nachrücker in den "Ortschaftsrat", er mied den Kunst-Griff "Bezirksgemeinderat", gekommen. Für Achim Schulze, der Altenburg verlassen hatte. Heinz hatte den Eindruck, dass unser kleines Dorf unter seinen Möglichkeiten blieb. Um das zu ändern, kannte er kein Pardon - mochte man meinen. Er setzte alle Hebel in Bewegung - musste man staunen. Unerschrocken. Konsequent.
Unser kleines Dorfparlament war komplett zerrissen. Es kam zum Wechsel an der Spitze - nicht ohne, dass die mächtig kritisiert (um es vorsichtig auszudrücken) wurden, die diese Neuorientierung eingeleitet hatten.
Ich weiß noch, wie wir uns bei Heinz im Wintergarten trafen, um zu beraten, wie wir auf all die Vorwürfe reagieren sollten. Und da war uns klar, dass wir nichts antworten würden. Wir wollten nicht nachkarten. Ich glaube, wir waren alle froh darüber, dass alles vorbei war. Heinz konnte sehr milde sein, knurrend und murrend zwar, aber mit viel Herz und klarem Verstand. Plötzlich waren wir alle im "Ortschaftsrat" ein Team, jedes Misstrauen verflog. Es wurde gefrozzelt statt gestichelt und durchgestochen. Es wurde gelacht statt gekracht. Wir waren fast schon elf Freunde.
Es war dann faszinierend zu sehen, mit welcher Akribie und Leidenschaft Heinz sich in die Themen der Ortsentwicklung hineinstürzte. In Klausurtagungen, in Sitzungen - immer kam er mit neuen, durchdachten Vorschlägen.
Ich habe Heinz sehr gemocht und immer bewundert, auch wie er seine Schicksalsschläge verkraftete. Harte Schicksalsschläge.
Als ich dann gestern vor seinem Sarg stand, dachte ich wieder an diesen ersten Augenblick. Dreizehn Jahre liegen dazwischen, in denen ich Heinz vor allem als einen sehr aufrechten, sehr ehrlichen, sehr knorrigen, eigenwilligen, aber immer liebenswerten Menschen kennen und schätzen gelernt habe. So wird er mir in Erinnerungen bleiben. Raimund
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