Donnerstag, 22. Mai 2014

Ein paar Gedanken zur Wahl des Altenburger Rates

»Die Arche wurde von Amateuren gebaut, die Titanic von Profis.«
Timo Wopp, Kabarettist und Jongleur


Wer in diesen Tagen in Altenburg vor seinem leeren Wahlzettel saß und sich fragte, wen er denn nun in den Bezirksgemeinderat unseres Dorfes wählen soll, wird anfangs ein wenig ratlos gewesen sein. Da war kein Name aufgelistet. Es gab in der dicken Packung an Wahlzetteln keine Liste von offiziellen Bewerbern um das Ehrenamt im Bezirksgemeinderat. Mancher wird sogar ausgerufen haben: "Das sind doch alles Amateure" - und wird vor allem die gemeint haben, die bereits in unserem Dorfparlament drin sind. Aber diesen Amateuren, zu denen sich noch sechs weitere Erstkandidaten gesellten, waren die Hände gebunden. Von den Profis, die in der Wahlordnung das so festgelegt hatten. In Orten, in denen sich keine Listen gebildet haben, noch nicht einmal eine Einheitsliste, gibt es keine namentlichen Präferenzen. Es bleibt den Kandidaten selbst überlassen, für sich Werbung zu machen. Und es gibt auch kein Kumulieren & Panaschieren. Es gibt elf Stimmen, dabei kann jeder Bewerber nur eine Stimme bekommen. Es genügt also, wenn man den Namen des Auserwählten nebst einem Zusatz wie Alter, Beruf oder Adresse auf seinen Wahlzettel schreibt. Also: maximal elf Namen. Jeder Name mehr macht den gesamten Wahlzettel ungültig.
So ist das Verfahren erstmals in Altenburg, gewöhnungsbedürftig, aber sehr, sehr demokratisch. Jeder Bürger ist gleichsam ein Kan(n)didat, jeder (über 18 und wohnhaft in Altenburg) kann gewählt werden. Jeder. Und jeder kann von jedem Wähler nur eine einzige der insgesamt zu vergebenen elf Stimme bekommen. Es ist eine reine Persönlichkeitswahl, keine Partei, keine List, nur das "Ich" zählt.
Ein wenig Wahlhilfe gibt es. 16 Kandidaten haben sich zusammengefunden und in einem an alle Haushalte privat verteilten Folder auf sich aufmerksam gemacht. Es sind 16 Menschen, die ganz klar zum Ausdruck gebracht haben, dass sie gewählt werden wollen. Es sind - und das sollte jeder bedenken - Amateure, die dieses Ehrenamt des Bezirksgemeinderates annehmen möchten.
Elf Menschen werden sich in den kommenden fünf Jahren um die Geschicke unseres Dorfes kümmern, wie gesagt: Amateure. Und sie werden sich dies mit mehr oder minder ironischem Unterton immer wieder anhören müssen. "Was wollt Ihr schon gegen die Profis in der Stadtverwaltung ausrichten?" - "Ihr habt ja doch nichts zu sagen." - "Eigentlich gehört Ihr abgeschafft." Das waren die Kommentare in den letzten fünf Jahre, das werden die in den kommenden fünf Jahren sein. Diejenigen, die gewählt wurden, werden in manchen Fällen diesen "Vorwürfen" nichts entgegenzusetzen haben. Sie wissen, dass sie machtlos sind.
Noah konnte seinerzeit auch nicht die Sintflut verhindern. Er baute eine Arche, um den Fortbestand der Lebewesen zu sichern. Altenburg ist auch nichts anderes als eine Arche. Mehr nicht. Niemand möchte daraus eine Titanic machen, die in einem Eisberg ihren Meister fand, während die Arche die Sintflut heil überstand.
Vielleicht besteht die einzige Aufgabe des Bezirksgemeinderates darin zu verhindern, dass aus einem kleinen Dorf mit 1800 Einwohnern eine Titanic wird. Vielleicht gibt es auf der Arche nicht das Leben eines Luxusliners, aber dafür gelingt auf dem Dorf das Zusammenleben umso besser.
Raimund Vollmer

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